Font Fiction

Font
Fiction

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1.
Katzen haben 7 Leben.
Schriften können unsterblich werden.
2.
Der Unterschied zwischen Fonts und Artefakten aus anderen kulturellen Feldern wie Musik, bildender Kunst, Architektur, Literatur oder Mode, liegt in der Tatsache, dass Schriften fähig sind, in Korrelation mit den Entwicklungen einer Gesellschaft zu wachsen. Auch wenn eine Schrift vor Jahrhunderten erschaffen wurde, besteht die Möglichkeit, dass diese aufs Neue hochaktuell wird, inmitten einer gänzlich anderen Ära, Säkula später. Leonarda da Vinci hat seine Mona Lisa in der gleichen Spanne gemalt, wie Francesco Griffo seine Schrift geschaffen hat. Diese Schrift, die wir inzwischen unter dem Namen Bembo kennen, hat in unserer heutigen Gesellschaft eine ganz andere Position und Relevanz als das Gemälde. Die Schrift wurde kürzlich durch das Wiederbeleben mit den neusten Technologien und der Veröffentlichung als OpenType Variable Font wieder topaktuell, während das Gemälde, an einer Wand im Louvre hängend, dem langsamen Untergang geweiht ist.
3.
Während alle Dinge existieren, um zu vergehen, haben Schriften nicht nur die Fähigkeit auf ewig zu leben, sondern immer weiter zu wachsen. Ohne jegliche Begrenzung in Zeit können Schriften eine fortwährende Entwicklung erfahren, selbst wenn der Designer nicht mehr existiert.
4.
Menschliche Schöpfung ereignet sich immer innerhalb dreier Dimensionen. Eine, in der wir tatsächlich arbeiten und gestalten. Eine, in die wir einzudringen suchen, nicht aber vermögen. Eine, deren Existenz wir uns noch nicht bewusst sind.
5.
Da Schriften in der Lage sind unsterblich zu werden, ist es unabdingbar sich während derer Gestaltung mit allen drei Dimensionen zu befassen. Obwohl wir in der ersten Dimension gefangen sind, sind die anderen beiden Dimensionen unvermeidlich präsent.
6.
Font Fiction ist eine Methode sich alle 3 Dimensionen zu erschließen, indem Anweisungen definiert werden für den Raum, den wir kennen, nicht aber zu betreten fähig sind, und durch Determinierung von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten für die unbekannten Sphären. Angewandt bedeutet dies, Francesco Griffo hätte klare Anweisungen festschreiben können, wie sein Entwurf in z. B. einen Variable Font mit flexiblen Gewichten zu überführen wäre, obwohl er das selbst nicht hätte realisieren können. Diese Technologie existierte vor fünfhundert Jahren nicht. Es war ihm auch unmöglich, sich etwas wie hinting, oder eine Glyphe wie das Eurozeichen vorzustellen, da solche Dinge in einer Sphäre außerhalb der Vorstellungskraft geschehen und sich deshalb nur durch allgemeine Prinzipien tangieren lassen. In diesem Beispiel hätten es Leitsätze für Form und Auflösung sein können.
7.
Mit Font Fiction wird Verantwortung übernommen für das Vermächtnis, das wir schaffen beim Entwerfen von Schriften. Dies geschieht, indem die traditionelle Auffassung von Type Design ausgeweitet wird auf das Reich von allen drei Dimensionen in welchen Fonts existieren. Das Unerreichbare und Unvorstellbare wird integraler Bestandteil.
8.
Font Fiction ist keine beschreibende Vermittlung von Prototypen, es ist die Erfassung aller Dimensionen, in denen eine Schrift existieren kann und wird, in den zeitgemäßen Gestaltungsprozess. Font Fiction bietet heute keine neue Perspektive auf unsere Zukunft von morgen, hingegen wird die Verantwortung für die Zukunft von Schriften schon heute wahrgenommen. Da Schriften ewig und in noch unbekannte Dimensionen wachsen werden, müssen Type Designer die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und Leitvorstellungen eines Fonts gegenwärtig definieren, um dessen Fortbestehen in der Zeit sicherzustellen.
Font Fiction (Grundsätze Version 1) wurde verfasst und publiziert von Underware anlässlich ihres Vortrags Export Future vom Samstag, dem 14. April 2018 auf der TYPO Labs Konferenz in Berlin, Deutschland.

Deutsche Übersetzung von JJM.

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